Eine schöne Begegnung – ein scharfer Blick
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Du lässt Dir die Geschichte lieber vorlesen? Dann gehe ans Ende des Textes.
Ich liebe schöne, vor allem unerwartete Begegnungen, die im Nachgang noch lange das Herz erfüllen.
Es muss erbeten sein, so hatte sich in einer traurigen Begebenheit ein Marienkäfer als Helfer für meine Seele erwiesen. Heute war es auch insgeheim erbeten, was sich dann wie aus dem Nichts, nein, aus dem Himmel herabsenkte.
Die heutige Geschichte begann am Frühstückstisch, nachdem ich draußen meinen geliebten Gefiederten das Vogelfutterhaus gefüllt und am Boden neben der Vogeltränke noch eine Handvoll Futter auf dem Rasen verstreut hatte. Nach dem Frühstück las ich zu meiner letzten Tasse Tee in J. Allen Boones Buch „Die große Gemeinschaft der Schöpfung“. Wenn ich dieses Buch lese, in dem der Autor von seiner immer intensiver werdenden Beziehung zu den Tieren berichtet, entsteht in mir auch immer mehr der Wunsch, Tieren zu begegnen und mich so mit ihnen verbunden zu fühlen, dass mein Herz für sie weit offensteht und ich sie als gleichwertig wahrnehme.
Während ich noch in meinem Buch las, war mein Schatz einmal zur Terrassentür im Wohnzimmer gegangen und hatte draußen die Spatzen beobachtet. Begeistert kam er zurück: „Das sieht so niedlich aus! Eben saß da ein Spatz in der Rhododendronhecke und drehte immer ein Körnchen im Schnabel herum. So possierlich!“
Er war so begeistert, dass ich aufstand mit dem tiefen inneren Wunsch, auch so etwas Besonderes zu beobachten. Das Plisseerollo verdeckt die untere Hälfte der Terrassentür. Ich konnte durch die obere Hälfte auf die Terrasse blicken, die zur Hälfte gegen den Garten mit der Rhododendronhecke begrenzt ist. Direkt neben der Hecke steht am Boden ein großer Blumenuntersetzer als Vogeltränke. Ein ganzer Schwarm Spatzen hüpfte in der Nähe der Tränke auf dem Rasen herum und suchte nach Futterkörnchen. Immer wieder flogen einige in die Hecke, die dadurch ständig in Bewegung war. Ich hatte die Vogeltränke mit Absicht hier platziert, denn die kleinen Freunde lieben es, sich schnell verstecken zu können. Nein, sie BRAUCHEN solch ein Versteck geradezu, was sich gleich als überlebensnotwendig erweisen sollte.
Bisher war nichts Besonderes geschehen. Nur ein lebendiges Hüpfen, Picken, Auffliegen und Landen des wilden Spatzenschwarms auf dem Rasen, auf der Terrasse, in dem Rhododendron und an der Tränke.
Doch urplötzlich änderte sich die Szene. Die Veränderung senkte sich vom Himmel herab und wirkte so ähnlich, als habe ein Elefant einen Porzellanladen betreten. Hatte ich mir nicht eine besondere Begegnung erbeten? Da saß er nun auf dem Terrassenboden, direkt vor der Tür, von mir getrennt nur durch eine Glasscheibe: ein großer Falke!
Sein scharfes Auge fixierte mich. Seine Körperhaltung drückte Spannung aus. Er mochte wohl aus der Luft eine vielversprechende Bewegung am Boden ausgemacht haben, die ihn motiviert hatte, sich hinabzustürzen und nach Beute zu greifen. Die vermeintliche oder potenzielle Beute jedoch verfügt auch über Intelligenz. Und sie bewies ihr Schwarmbewusstsein!
Hätte man mich vorher gefragt, wie sich die Spatzen in solch einer Situation verhalten würden, ich hätte gesagt: natürlich schnellstens wegfliegen und zwar alle auf einmal! Aber nein, sie verhielten sich ganz anders. Sie flogen geschlossen in ihr Versteck in die Rhododendronhecke und dort gebärdeten sie sich wie ein Hornissenschwarm, in dessen Nest man einen Stock gesteckt hatte.
Die Spatzen flatterten wie wild mit den Flügeln, kreischten geradezu vor Aufregung. Die ganze Hecke tobte vor Bewegung und wirkte, als ob sie selbst einen Veitstanz aufführe.
Der Falke dagegen saß starr an seinem Platz. Wie festgewurzelt. Sein linkes Auge war immer noch auf mich fixiert. Dann schien er einen Entschluss gefasst zu haben. Er hob sich rasch in die Lüfte und ward nicht mehr gesehen. Die Spatzen verließen geschlossen ihr Versteck und flogen in eine andere Richtung davon.
Ich war so erfüllt von dieser ungewöhnlichen Begegnung, dass ich mich dankbar an mein Naturtagebuch setzte und schrieb:
ES MUSS ERBETEN SEIN!
Ja, so unabsichtlich absichtlich geht’s!
©Ulrike Nikolai 1.10.2021
Und mithilfe dieses kleinen Videofilmchens kannst Du Dir die Geschichte auch vorlesen lassen:
So eine nette Beobachtung! Ich schaue auch gerne den Vögeln zu, wenn ich am Balkon sitze.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
ranunkel (Anna)