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Wintergewitwer

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  ➡️Hörversion  Spannung hielt die Luftmoleküle schon seit dem frühen Morgen fest an Ort und Stelle. Schwüle hatte sich schwer auf den Ort gelegt wie eine nasse Wolldecke. Auch zwischen ihnen war die Luft wie kurz vorm Zerreißen, und zwar gleich von dem Moment an, als er ihr seine Haustür geöffnet hatte. Es brauchte nur noch einen Funken, dann … ein mächtiger Blitz entlud sich am Abendhimmel, der bereit war, der Nacht den ihr zustehenden dunklen Platz abzutreten. Hohe Kräne verbanden noch nicht ganz fertige Häuser mit dem Himmel darüber, so als wären sie riesige Energieleiter, die die Stadt von oben mit Strom versorgten. Sie waren um diese Zeit sicher nicht bemannt. Unvorstellbar, jetzt – bei diesen orkanartigen Sturmböen und den in so kurzen Abständen aufeinanderfolgenden Blitzen! Er näherte sich ihr einen Schritt weiter, mühsam das linke Bein nachziehend. Er stellte seinen Stock vor sich hin, stützte sich mit beiden Händen darauf und betrachtete sie. Diese erwachsene Frau, d...

Flugstunde

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➡️ Zur Hörversion Der erste Schultag nach den Sommerferien. Ich habe vor längerer Zeit diesen Tag mit einer besonderen Mathestunde in Klasse 4 bereits gut vorbereitet, muss nur in der Schule meine Vorbereitung aus einem Aktenordner holen. Es ist eine Stunde für einen Unterrichtsbesuch. Die Schüler sitzen im Klassenraum, der merkwürdig dunkel ist. Ich will beginnen. Der Besuch ist noch nicht da. Also fange ich einfach schon mal an. Irgendwann kommt die Person, eine jüngere Frau oder Mann (wechselt ständig!) mit fliegenden Fahnen ins Klassenzimmer und setzt sich hinten hin, entschuldigt sich und behelligt mich nicht weiter. Ich kenne die Person, bzw. die PersonEN. Mal ist es ein Fachleiter aus meinem Studienfach Mathematik, dann eine Physiotherapeutin, die mir immer erzählt hat, sie wolle Lehrerin werden. Alles läuft etwas chaotisch, weil mir wichtiges Material (Waagen zum Experimentieren) noch fehlt. Ich bitte einen Schüler, mit mir zum Materialraum zu kommen. ...

Brief an den Frühling

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    ➡️ HIER lese ich Dir den Brief vor.   Frühling! Geschätzter! Geliebter! Liebster! Heiß und innig Erwarteter! Wie sehr Du mir ans Herz gewachsen bist, seit meine Jahresringe ihrem irdischen Ende immer rascher entgegenwachsen. Weißt Du eigentlich, um wie viel mehr ich Dich heute zu schätzen weiß als damals in meiner Kindheit, als noch mein ganzes Leben Frühling war? Konnte ich ahnen, dass diese noch völlig unreflektierten Gefühle eines Tages auf den vierten Teil eines Lebensjahres schrumpfen würden? Damals hörte ich Oma über den langen Winter klagen, über die Kälte, den Schnee. Opas Stube war, wie wir sagten, muckelig warm. Fast unerträglich warm für uns Kinder, die wir ständig in Bewegung waren. Wenn Du nahst, zieht auch heute noch ein Sehnen durch meine Glieder. Auf, auf!, scheinen sie zu rufen. Nutze uns, solange wir Dir zu Diensten sind. Du siehst, Du bist aufs Herzlichste willkommen mit Deinem jungfräulichen Strahlen, das all meine Sinne belebt.    Die er...